Schreibregeln sind Erzählstrategien und Mittel, die sich für das Schreiben von Romanen und Geschichten bewährt haben. Im 19. Jahrhundert beispielsweise dominierte die auktoriale Erzählweise, in der der Autor »allwissend« ist.
In der auktorialen Perspektive blickt der Erzähler auf das gesamte Handlungsgeschehen. Er kennt die Zusammenhänge und alle Figuren gleichermaßen.
Obwohl es besonders im 19. Jahrhundert in »modern« war, ist das auktoriale Erzählen auch heute noch ein mächtiges Stilmittel. Das beweist unter anderem Pierre Lemaitre mit seiner Trilogie »Die Kinder der Katastrophe«. Die Romane handeln vom Ersten Weltkrieg und der Zeit danach bis hin zum Zweiten Weltkrieg. Louise, die 30-jährige Protagonistin des dritten Bands, war im zweiten Band noch ein Kind im Alter von zehn Jahren.
Für diese relativ altmodische Erzählweise wurde Lemaitre mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet. »Die Kinder der Katastrophe« ist zeitlose Literatur.
Pierre Lemaitre ist kein unbekannter Autor. In den Jahren zuvor hatte er bereits erfolgreich Thriller veröffentlicht. Man kann also davon ausgehen, dass er die Regeln beherrscht. Indem er sich einer weniger modernen Erzähltechnik bediente, hat er einen Riesenerfolg gelandet.
Zu Schreibregeln ist alles gesagt, nur nicht von allen
Heute werden Nachwuchs- oder Hobbyautoren von Ratschlägen geradezu erschlagen. Das ist nicht weiter schlimm, man sucht sich halt das Beste heraus. Wenn aber Ratschläge sich verselbständigen und zu unumstößlichen Regeln werden, kann aus der besten Idee schnell der schönste Murks entstehen.
Berühmt-berüchtigt ist beispielsweise die Aufforderung »Show don’t tell«, die aus der Filmbranche in den Schreiballtag hinübergewandert ist. Wenn dieser Ratschlag als Regel immer und überall zu gelten hätte, hätte Lemaitre mit seinem narrativen Erzählen eine literarische Todsünde begangen.
Blindes Vertrauen in Regeln ist kein guter Ratschlag. Es führt zu Unsicherheit und Zweifeln. In der Folge tauschen sich angehende Autoren in Internet-Foren darüber aus, ob man »Sie war traurig« schreiben darf oder ob auch das durch eine Handlung gezeigt werden müsse.
Die Antwort lautet: Es kommt auf den Gesamtzusammenhang an. Mal ist sie traurig und das kann mit genau diesem Wort bezeichnet werden. Ein anderes Mal stopft sie Schokolade in sich rein und legt eine Adele-Platte auf.
Warum Schreibempfehlungen?
Es gibt verbindliche Regeln zu Grammatik, Rechtschreibung und Zeichensetzung. Aber es gibt keine Regel für einen Roman als solchen. Die Regeln, die man in unzähligen Schreibratgebern findet, betreffen Erzählkonventionen und Mittel, mit denen eine bestimmte Wirkung erzielt werden kann. Aber zu jeder Regel, die irgendwo aufpoppt, findet man zahlreiche Gegenbeispiele im eigenen Bücherregal.

Im englischsprachigen Creative Writing wird von Werkzeugen (tools) gesprochen. Nichts anderes sind die deutschen Schreibregeln. Es sind Werkzeuge, mit denen man einen Text optimieren kann.
Erzählstrategien ändern sich
Das Erzählen spannender Geschichten folgt Mechanismen, die sich über Jahrtausende bewährt haben. Odysseus, Parzival, die Beowulf-Sage und viele andere Geschichten befriedigen eine Sehnsucht, die tief im kollektiven Unterbewusstsein aller Epochen und Kulturen verankert ist.
Gleichzeitig haben sich in der Moderne die Lebensumstände der Menschen verändert. Technik, Wissenschaft und Kultur brachten neue Erzählstrategien und ein neues Leseverhalten mit sich.
Themen der Literatur sind noch immer die zeitlosen Konflikte. Nur die Art und Weise, wie sie erzählt werden, ist moderner geworden.
Daraus kann man schließen, dass es ohne Missachtung der alten Regeln keine Veränderung zum modernen Erzählen gegeben hätte.
Schreibempfehlungen beruhen auf der Erfahrung ungezählter Autorengenerationen. Aus diesem Grund solltest du die Werkzeuge zumindest kennen.
Warum viele Autoren die Nase gestrichen voll haben
Regeln haben ihren Sinn und Zweck. Trotzdem fühlen sie sich manchmal wie ein Korsett an. Zum Beispiel Höflichkeitsregeln. Du bist geduldig wie ein Lamm und stellst dich brav in der Kassenschlange an. Aber wenn ein Vollhonk zum zehnten Mal seinen Wagen in deine Hacken rammt, explodierst du – zurecht.
Regeln, wenn sie als unfehlbar interpretiert werden, zwängen die eigene Kreativität ein und stören das freie und ungezwungene Erzählen.
Oder motivieren dich diese Beispiele?
- Nie mit dem Wetter anfangen
- Nie mehr als ein Adjektiv benutzen
- Kein Prolog
- Einen großen Bogen um Spiegel machen
- Inneren Zustand einer Figur permanent ändern
- Roman: Anfang, Mitte und Ende als Teile 1–2–1 gewichten
Zusammengenommen verhindern sie die eigene Kreativität.
Warum Schreibwerkzeuge trotzdem nützlich sind
Durch Schreibempfehlungen wirst du in die Lage versetzt, typische Anfängerfehler zu erkennen und zu vermeiden. Je öfter du Texte mit Blick auf Schreibempfehlungen überarbeitet (nicht geschrieben) hast, um so intuitiver geht das Ganze von der Hand.
Erfahrene Autoren schreiben automatisch auf einen Konflikt zu, halten Dialoge kurz und setzen Adjektive sparsam ein. Als Anfänger lernt man das, indem man seinen Text überarbeitet.
Die Qualität eines Manuskripts hängt nicht davon ab, ob alle Schreibregeln befolgt wurden. Schreibempfehlungen beleuchten Teilaspekte. In jeder Empfehlung schwingt daher das Wort Ausnahme mit. Ausnahmen sind es, die dazu beitragen, etwas Originelles zu erschaffen.
Wer gelernt hat, wozu ein Hammer da ist, kann den Nagel auch mit einem Eisen in die Wand schlagen. Wichtig ist, die Werkzeuge zu kennen, mit deren Hilfe Schwächen im Text ausgebügelt werden können.
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