
Die deutsche Sprache steckt voller Klischees und Phrasen. Im Alltag fällt das normalerweise nicht auf.
Problematisch wird es, wenn eine Phrase in den Text rutscht und erst dann bemerkt wird, wenn es zu spät ist.
Sechs Phrasen und Redewendungen, die problematisch sein können
#1 Sie öffnete die Tür und wurde kreidebleich
Kreidebleich ist ein Allerweltswort. Durch übermäßigen Gebrauch hat es seine Wirkung so gut wie eingebüßt. Als Beschreibung eines Zustands wirkt es abgenutzt. Hinzu kommt, dass der Zustand, der ausgedrückt werden soll, relativ ist.
»Sie öffnete die Tür und wurde kreidebleich. Die Leiche …«
Es sollen schon Leute beim bloßen Blick auf den Kassenbon kreidebleich geworden sein.
Erschrecken, Entsetzen oder Grauen einer Figur beschreibst du besser mit einem frischeren Begriff. Oder du zeigst es konkret.
»Sie öffnete die Tür, die Klinke in der Hand wie von einem Schraubstock umklammert. Die Leiche …«
#2 Die nächsten Stunden erlebte er wie in Trance
Mit »Trance« soll oft dargestellt werden, dass eine Figur ihre äußere Umgebung nicht oder kaum noch wahrnimmt.
Was dabei nicht bedacht wird:
Ein Trancezustand ist in Wirklichkeit ein medizinischer Notfall, der tatsächlich schwere Folgen nach sich ziehen kann. Drogen beispielsweise können eine Bewusstseinsveränderung à la »wie in Trance« herbeiführen.
Normalerweise soll mit »Trance« etwas anderes ausgedrückt werden. Was genau das ist, kann man konkret zeigen.
Was hat die Figur in den Stunden getan und was nicht?
Äußere Einflüsse
- hat das Telefon mehrmals geklingelt (ist die Figur ran gegangen oder nicht?)
- hat sich die Tageszeit geändert (ist es hell oder dunkel geworden?)
- hatte die Figur zuvor etwas begonnen und dann nicht beendet (das Blatt Papier ist immer noch weiß, etc.)
Für Leser erschließt sich daraus, dass die Figur eine Zeitlang »wie in Trance« verbracht hat. Ohne, dass der Begriff verwendet wird.
#3 Kaum hatte sie den Satz gesagt, hätte sie sich am liebsten auf die Zuge gebissen
Warum ist der Satz falsch?
Die Redewendung »sich auf die Zunge beißen« steht für »sich beherrschen und etwas nicht sagen«.
Im Nachhinein kann die Figur auf alles Mögliche beißen. Der Satz, den sie gesagt hat, bleibt trotzdem für immer in der Welt.
»Sich auf die Zunge beißen« ist aus der Mode gekommen. Das ist kein großer Verlust, denn auch hier helfen Bilder.
»Kaum hatte sie den Satz gesagt, verfluchte sie ihr loses Mundwerk«.
#4 Nach dem verschwundenen Kind wurde fieberhaft gesucht
Wenn man genau hinschaut, taucht »fieberhaft« fast immer in Passiv-Konstruktionen auf.
»Nach dem verschwundenen Kind wurde fieberhaft gesucht«.
Niemand sagt
»Wir suchen fieberhaft nach dem Kind«.
Höchst unwahrscheinlich ist auch, dass die Polizei sagt
»Wir suchen fieberhaft nach dem Einbrecher«.
Im Duden wird »fieberhaft« mit zwei Bedeutungen gekennzeichnet.
1. Bedeutung: eine fieberhafte Erkrankung
2. Bedeutung noch einmal unterteilt in
a.) angestrengt und eilig; hektisch
b.) von einem seltsamen, erregenden Zauber erfüllt
»Angestrengt und eilig« kommt der Bedeutung, um die es hier geht, am nächsten. Wobei »eilig« nicht so recht zur »Suche« passen will. Selbstverständlich will man das Kind so schnell wie möglich finden. Aber schnell ist nicht eilig.
Wie löst man das Dilemma?
Indem man die Fahndungsmaschinerie mit zwei, drei aussagekräftigen Details beschreibt.
»Dafür haben wir keine Zeit mehr!« Kommissar Gieshübler knallte den Hörer auf die Gabel.
#5 Meine Gefühle fuhren Achterbahn
Mit dem Bild der Achterbahn soll ausgedrückt werden, dass eine Figur hin- und hergerissen ist. Sie ist machtlos und Ringrichter ihrer widerstreitenden Gefühle. Ein Opfer ihres inneren Kampfs. Mit anderen Worten: Die Figur erlebt einen Konflikt, der für Leser spannend ist.
Was hat der innere Gefühlskonflikt mit einer Achterbahn zu tun?
Die Antwort lautet: nichts.
Die Achterbahn macht einen Höllenlärm. Da, wo sie fährt, herrschen Rummel, Radau und Gekreische. Ein Geruch von Popcorn und gebrannten Mandeln hängt in der Luft.
Starte den Gefühlsmonolog, indem du zeigst, wie Gefühle miteinander kämpfen. Beschreibe im Detail, was die Situation ausmacht.
- Was passiert mit der Figur, wenn sie ein gutes Gefühl hat?
- Was nimmt sie bei einem schlechten Gefühl wahr?
Wenn alles wieder gut geworden ist, kannst du sie immer noch auf die Achterbahn schicken.
#6 Irgendwo bellte ein Hund
Der bellende Hund ist über viele Jahre zum Klassiker geworden.
Eine atmosphärisch dichte Schilderung. Es ist Nacht, die Figur hat vielleicht Bahngleise überquert, die Vororte hinter gelassen und dann …
»Irgendwo bellte ein Hund.«
Obwohl der Satz perfekt zur Szene passt, bedient er ein Klischee.
Der bellende Hund hat sich, quer durch die Literaturgeschichte, in einen running gag verwandelt.
Rosecrans Baldwin, ein amerikanischer Autor, hat sich darum verdient gemacht, die Sache statistisch zu untersuchen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass der bellende Hund ein augenzwinkerndes Erkennungszeichen unter eingeweihten Autoren zu sein scheint. Quasi eine gegenseitige Bestätigung dafür, dass man im Literaturgeschäft »angekommen« sei.
Ich finde, das ist eine der sympathischsten Erklärungen dafür, warum der »bellende Hund« über viele Jahre ans Herz so mancher Autoren gewachsen ist.
Die Phrase wird nie ganz aussterbenund das muss sie auch nicht. Nach Baldwins Theorie befindet sie sich in bester literarischer Gesellschaft.
Wer den Beitrag im Original nachlesen möchte: Somewhere a Dog Barked.
Was Software kann – und was nicht
Was Software nicht ersetzen kann, ist das menschliche Textverständnis. »Irgendwo bellte ein Hund« und auch die anderen Beispiele sind nicht grundsätzlich falsch. Nur ein bisschen.
Computer-Programme sind in der Lage, Autoren zu unterstützen. Mein persönlicher Favorit ist die Software Bibisco. (Einen Roman schreiben: 9 gute Gründe für die Autorensoftware Bibisco).
Ein weiteres Hilfsmittel ist LanguageTool. Zwar keine ausgewiesene Autorensoftware, dafür ein schlanker Helfer, der beliebte Schnitzer schon beim Schreiben erkennt. Mehr dazu im Beitrag: Wie du eigene Texte Korrekturlesen kannst und trotzdem glücklich bleibst.
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Bei diesem Text fuhren meine Gefühle Achterbahn 😉 Wirklich interessant und hilfreich um Floskeln zu vermeiden!
Danke für deinen Kommentar, Johanna. Floskeln sind tückisch! 🙂