
Meine erste eingesandte Probegeschichte wurde von zwei Verlagen angenommen. Verlag Nummer eins, der die Geschichte als »ausbaufähig« eingestuft hatte, bekam den Zuschlag.
Mit einem Vertrag in der Tasche und entsprechend motiviert suchte ich nach Anregungen und Ideen, wollte mir einen Eindruck von der Szene verschaffen.
Was und wie schreiben andere Autoren, was davon gefällt mir und was gefällt mir eher nicht? Ziemlich schnell stellte sich heraus: Es gibt kaum eine Anleitung zum Thema erotisches Schreiben.
Als Autor erotischer Geschichten ist man mehr oder weniger auf sich allein gestellt und findet nur wenige Ratgeber, die auf die Besonderheiten des Genres eingehen.
Wo findet man Anregungen und wo eher nicht
Zum Start meiner Recherche habe ich nach Geschichten-Seiten im Internet gesucht. Auffallend war, dass einige Portale schon länger nicht mehr moderiert werden. Die Seiten sind zwar online, die »neuesten« Geschichten aber zwei, drei, manchmal auch fünf Jahre alt.
Warum das so ist? Darüber kann ich nur spekulieren. Vielleicht hat die Monetarisierung der Website nicht so funktioniert, wie erwartet und gewünscht. Vielleicht sind die Leser auch zu anderen Formaten, wie beispielsweise E-Books, abgewandert.
Oder Leser haben die Flucht ergriffen, weil einige Webseiten hochgradig malvertise-verdächtig sind. Ein Pop-up nach dem anderen versucht, als Werbung getarnte Malware auf den Rechner des Besuchers zu schleusen.
Am Ende blieben zwei Portale in der engeren Auswahl. Deren Geschichten-Basis hält viele ältere Storys bereit, gleichzeitig sorgen Leser für konstanten Nachschub an neuen Geschichten. Über sechs Monate habe ich mitgelesen – und war am Ende genauso ambivalent wie zuvor.
Wirklich gute Geschichten: Fehlanzeige
Viele Storys waren zusammengeschustert, manche direkt aus einem Portal geklaut und im nächsten als neu veröffentlicht. Plots waren undurchsichtig, Handlung oft fad und Sprache in vielen Fällen limitiert. Von Rechtschreibung und Grammatik will ich gar nicht reden. Ein großer Teil der Storys war nur auf den einen Effekt ausgerichtet. Reiner Sex ist aber zu wenig, um eine Geschichte interessant und tragfähig zu machen.
Nur bei wenigen Geschichten war der Versuch erkennbar, die Leser zumindest semiprofessionell zu unterhalten. Das wurde vom Publikum zwar mit guten Bewertungen honoriert, die einzelnen Geschichten gingen jedoch in der Masse unter.
Die wenigen guten Geschichten wurden von Kommentatoren auch noch auseinandergenommen. Zu Unrecht und oft auch unfair im Ton. Da hatten sich Leute die Mühe gemacht, eine Story zu schreiben und der Öffentlichkeit vorzustellen und als Dank gab es wüste Beschimpfungen. Ernüchterndes Fazit: Geschichten-Portale? Ein Haifischbecken.
Update 19.08.2021
In einem österreichischen Forum begleiten Teilnehmer die Entwicklung von Storys, tauschen sich darüber aus und können Fortsetzungs-Wünsche an die Autoren richten. Eine gute Möglichkeit für die Themenrecherche und um eigene Geschichten zu testen!
Das kannst du besser
Ich habe mir gesagt, das kannst du besser. Der nächste Recherche-Stopp war mein eigenes Bücherregal. Ich habe alte (keine erotischen) Geschichten erneut zur Hand genommen und mit anderen Augen gelesen. Was macht die Handlung spannend, warum sind die Figuren interessant und welche besonderen Auswirkungen hat die Tonalität in dieser oder jener Story?
Die größte Schwierigkeit in dieser Phase bestand darin, mir eine Romanhandlung auszudenken. Figuren und einen Spannungsbogen festzulegen. Das zog sich eine Weile hin und auf der Festplatte sammelte sich Datei um Datei.
Als das Gerüst endlich stand, haben sich auch explizite Szenen mehr oder weniger von selbst ergeben und ich konnte die Geschichte zu Ende schreiben. Obwohl Erotik nicht zu kurz kommt, trat sie auf eine gewisse Weise in den Hintergrund. Sie war eingebettet in eine Story, die auch ohne »Szenen« funktionieren könnte.
Unterschied Roman – erotischer Roman
Eine Vielzahl auch nicht-erotischer Romane enthält erotische Szenen. Dennoch bezeichnet niemand diese Bücher als Erotik-Romane. Ganz einfach, weil der Fokus nicht auf Sex und Erotik allein liegt. Spannung, Handlung, Entwicklung und Konflikte der Figuren. Das alles sind Zutaten für einen Roman. Figuren, Motive und Handlungen werden charakterisiert, indem gezeigt wird, was sie tun und warum sie etwas tun. Erotik und Sex sind dabei nur ein Mittel von vielen.
Beim Erotik-Roman sind die Rollen vertauscht
Bei einem erotischen Roman ist es umgekehrt. Die Erotik rückt in den Vordergrund, während andere Aspekte von Handlung und Motiv dahinter zurücktreten. Wichtig ist jedoch, dass sie nicht komplett aus der Geschichte verschwinden.
Nur Erotik als Handlung ist zu wenig
Eine Geschichte, in der eine erotische Szene an die nächste gehängt wird, ist keine Erzählung, sondern ein Porno. Im Film mag das funktionieren, in der Story ist es jedoch ermüdend und langweilig. Auch eine erotische Geschichte sollte in ihrer Basishandlung einem Verlauf folgen und einen Anfang, Konflikte und ein Ende haben.
Anleihen beim Film
Eine Liebeskomödie im Kino dauert neunzig Minuten. Stell dir vor, die beiden, um die es geht, treffen gleich in der ersten Szene aufeinander und beschließen ihr Glück. Hand aufs Herz: Wer will da noch weiterschauen?
Erst bei der Hälfte des Films und gefühlte zehn Konflikte später erfährt der Zuschauer, wohin das Ganze führt. Das ist der Kern guter Unterhaltung. Die Idee, die dahintersteckt, solltest du im Kopf behalten, wenn du eine erotische Geschichte schreibst.
Glaubwürdige Handlung
Auch wenn bei einer Erotik-Geschichte von vornherein feststeht, dass die Figuren auch einen sehr privaten Umgang miteinander pflegen werden, solltest du ihnen eine Aufwärmphase gönnen. Lass es langsam angehen und entwickle ein Gefühl dafür, wann es Zeit wird, mit der Action zu beginnen. Natürlich sollst du deine Leser nicht unnötig lange auf die Folter spannen. Aber eine Geschichte, in der Figuren sofort übereinander herfallen, obwohl sie bis eben noch völlig fremd miteinander waren, ist unglaubwürdig.
Roman im Vorteil
Der erotische Roman hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber dem Film. Die Erwartungshaltung des Konsumenten ist eine andere. Während beim Film ziemlich schnell erzählt werden muss (maximal 90 Minuten stehen zur Verfügung) kannst du dir im Roman Zeit lassen. Du hast freie Hand und kannst die Spannung durch inneren Monolog und geraffte Szenen sogar noch steigern.
Lebendige Figuren
Figuren sollten auch im Erotik-Roman eine gewisse Tiefe haben. Schon klar, Aussehen und körperliche Beschaffenheiten spielen eine besondere Rolle, aber es wäre ein Fehler, Figuren rein darauf zu reduzieren. Auch die Person in der Umkleidekabine hat einen Beruf, ihre Sauna-Latschen können neu oder ausgetreten sein und das Auto vor der Tür ist von einer bestimmten Marke.
Passende Handlung
Je lebendiger Figuren anlegt sind, umso leichter fällt es, die passende Handlung für sie zu erfinden. Das Eine ergibt sich aus dem Anderen.
Handlungsorte
Ein stehengebliebener Aufzug, der fidele Frisörsalon oder die unaufschiebbaren Überstunden im Büro. Handlungsorte für Erotik-Geschichten liegen nahe. Das bedeutet aber nicht, dass überraschende Handlungsorte ungeeignet wären. Im Gegenteil.
Eine kürzlich gelesene Story spielte 1980 während der Olympischen Spiele in Moskau. Ziemlich unwahrscheinlich, aber warum nicht? Genau deshalb, weil jeder ein bestimmtes »Olympia-Bild« vor seinem inneren Auge hat, war die erotische Handlung überraschend und zog den Leser in die Geschichte.
Neue Orte finden
Mit ungewöhnlichen Handlungsorten hebst du dich von der Masse im Erotik-Genre ab. Wenn Ort und Handlung zusammen passen, sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt.
Sprache
Die Sprache sollte zu den Figuren, der Handlung und auch zu dir selbst passen. Ein erotischer Roman zeichnet sich nicht dadurch aus, dass er Vulgärsprache verwendet. Das Gegenteil ist der Fall. Vulgäre Ausdrücke schrecken viele Leser ab.
Dinge beim Namen nennen
Das bedeutet nicht, dass man Dinge nicht beim Namen nennen sollte. Der Zeitpunkt und das »wie« sind entscheidend. Was in der einen Szene passt, kann in einer anderen völlig unpassend sein. Ein gutes Mittel, um die eigene Sprache zu überprüfen, ist Abstand zur Geschichte. Den Text ein paar Tage liegenlassen und dann mit Blick auf das große Ganze neu zu lesen.
Erotisches Schreiben: Einladung zum Lesen
Wer viel liest, wird nicht nur gut unterhalten, sondern schult auch sein literarisches Auge. Deshalb ist Lesen ein exzellentes Training für das eigene Schreiben.
Als Lohn winken bessere Beschreibungen, gelungenere Dialoge und eine Virtuosität im Einsatz von Sprache je nach Situation und Handlung.
Was und welche Genres du liest, ist völlig egal. Wer Erotik-Literatur erfolgreicher Autoren lesen möchte, findet alles, was das Herz begehrt, in den bekannten Online-Shops. Auch ein Blick auf verlagseigene Seiten, wie beispielsweise dem Club der Sinne oder Venusbooks, fördert manche Entdeckung zutage.
Genre ist zweitrangig
Es geht darum, gut unterhalten zu werden und gleichzeitig etwas für das eigene Schreiben zu lernen. Das erreicht man auch mit einem Krimi, Liebes- oder Fantasyroman. Selbst zeitgenössische Literatur kann unterhalten und viel darüber verraten, wie Menschen miteinander agieren. Und darum geht es.
Du schreibst einen erotischen Roman oder erotische Geschichten?
Sende mir zwei, drei Musterseiten und ich melde mich mit einer kurzen Einschätzung zurück.
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