Wer einen Roman schreiben möchte, steht irgendwann vor der Frage, ob und welches Schreibprogramm er dafür verwenden könnte. Und ob sich das überhaupt lohnt.
Schließlich kommt man auch mit Microsoft- oder Libre-Office gut zurecht.
Jedenfalls ging es mir so – und ich kam bei der Frage zu keinem Ergebnis. Also habe ich nichts unternommen. Einfach abgewartet und weitergeschrieben. Vielleicht ab und zu mal einen Blick auf den Markt geworfen und einen Testbericht gelesen. Über Papyrus Autor, Scrivener, DramaQueen, Patchwork und einige andere Programme.
Das eine hatte nicht das, was ich suchte, das andere zu viel von dem, was ich nicht brauchte. Auch die Überlegung, welcher Preis für eine Schreibsoftware angemessen ist, spielte eine Rolle. Kurzum, es blieb bei der Nicht-Entscheidung.
Zurück in der Praxis dann wieder Frust. Ein Manuskript in Word zu schreiben und gleichzeitig Figuren, Handlungsorte und Zusammenhänge im Blick zu behalten, kann einen ganz schön vom eigentlichen Schreiben abhalten.
Verschiedene Dokumente müssen parallel geöffnet und Fenster auf dem Monitor positioniert werden. Überlappend, nebeneinander – ein ewiges Gefriemel. Mein Wunsch nach einer Software, die mich bei der Konzeption, Figuren- und Plot-Entwicklung intelligent und unaufdringlich unterstützt, kehrte immer wieder zurück.
Entdeckung: Bibisco
Durch Zufall fand ich den Hinweis auf eine Software, die schlank und praxistauglich zugleich sein sollte. Ihr Name: Bibisco.
Bibisco wurde von Andrea Feccomandi in Bologna/Italien entwickelt. Es handelt sich um ein Ein-Mann-Projekt, entstanden aus Enthusiasmus und Leidenschaft für gute Geschichten.
Die Software unterliegt der GNU-GPL Lizenz. Wer sie herunterlädt, kann sie unter Linux, MacOS und Windows in einer Consumer-Edition mit nur wenigen Einschränkungen kostenlos nutzen.
Für diesen Beitrag habe ich Kontakt mit Andrea aufgenommen, der mir daraufhin englische Screenshots zur Verfügung gestellt hat. Das Programm liegt nach dem Entpacken in deutscher Sprache und mit deutschen Hilfetexten vor. Los gehts, werfen wir einen Blick auf Bibisco.
1 – Ein Buch schreiben
Zur Begrüßung erinnert Bibisco den Benutzer an das, was für jeden Autor elementar sein sollte. Die intensive Beschäftigung mit Figuren, ihren Charakteren und Konflikten.

2 – Kernaussage
Zum Start eines Romans oder einer Geschichte kann eine Grundidee formuliert und Parameter, wie beispielsweise logische und chronologische Abfolgen, festgelegt werden.
Auch die Einordnung von Zeit, Ort und Milieu nimmt man hier vor. Drei farbigen Symbole tauchen an allen wichtigen Stellen im Programm auf.
- grünes OK-Symbol: Autor hat festgelegt, dass Punkt an dieser Stelle fertig ist
- gelbes Symbol (…): Autor hat angefangen, ist aber noch nicht fertig
- rotes Symbol (!!!): Zu diesem Punkt ist noch nichts festgelegt

3 – Figuren, Charakter und Eigenschaften
Als Nächstes wird den Charakteren Leben eingehaucht. Dazu wartet für jede Figur ein Interview, in dessen Verlauf Fragen nach den …
- Eigenschaften
- Eigenarten
- Wünschen
- Charakter
- Erwartungen
… beantwortet werden können.
Diese Art der Figurenentwicklung ist meiner Meinung nach der Schlüssel dafür, warum Bibisco als Schreibsoftware so gut funktioniert.
Allein zur Psyche, dem Innenleben einer Figur, werden nicht weniger als 64(!) Fragen gestellt.
Mit jeder Frage und Antwort rückt die Figur näher, wird lebendiger und komplexer. Durch diesen Effekt wird das Hinzudichten passender Eigenschaften und Charakterzüge spielerisch und entwickelt eine ganz eigene Dynamik. Es mutet geradezu unterhaltsam an, die eigenen Figuren im Lauf ihrer Entwicklung zu beobachten.
Auch Charakterbrüche, ein Merkmal besonders starker Figuren, behält man über die Eigenschaften derselben gut im Blick.


4 – Kapitel und Szenen
An dieser Stelle werden Kapitel und für jedes Kapitel beliebig viele Szenen festgelegt. Wer möchte, kann für sich notieren, welche Rolle das jeweilige Kapitel im Roman spielt. Wie es die Geschichte insgesamt weiterentwickelt und vorantreibt. Auch jede andere Notiz oder Idee findet hier ihren Platz.


Zwischen den einzelnen Programmpunkten kann jederzeit hin- und hergesprungen werden. Dir fällt spontan noch eine Figur ein? Kein Problem, wechsel zu den Charakteren, füge die Figur hinzu und notiere, was du bis jetzt schon über sie weißt.
5 – Handlungsorte im Überblick
Wie alle anderen Parameter legt man in Bibisco auch Orte der Handlung fest. Man kann Bilder hinterlegen und sich später beispielsweise an der Wiedergabe und Beschreibung eines düsteren Gebäudes versuchen. Natürlich frei von Phrasen.
Irgendwo bellte ein Hund. 6 Phrasen und wie du sie vermeidest.

6 – Manuskript-Analyse
Die Analyse-Funktion liefert einen Überblick die Verteilung von Figuren innerhalb einer Geschichte und innerhalb einzelner Kapitel.
Eine Nebenfigur hat einen deutlich höheren Anteil, als ursprünglich geplant? Kein Problem, per Mausklick wird sie zu einer Hauptfigur und erhält die dafür vorgesehenen Eigenschaften.

7 – Datenexport
Bibisco exportiert Projekte wahlweise im pdf- oder doc-Format. Beim Export entstehen jeweils zwei Dateien.
Die erste enthält den reinen Text des Manuskripts und die zweite die Konzeptionierung, Kommentare, Eigenschaften der Figuren, etc.
Das ist ein praktisches Feature, weil man einen ausgedruckten Text lesen kann, ohne vor- und zurückblättern zu müssen, um beispielsweise die Haarfarbe oder den Gebisszustand einer Figur noch mal schnell zu überprüfen. All diese Details sind im zweiten Teil enthalten, der griffbereit daneben liegen sollte.
8 – Text-Zugriff
Bibisco läuft unter Linux, MacOS und Windows. Ich selbst benutze die Windows-Version.
Das Programm gräbt sich weder tief ins Betriebssystem ein, noch verlangt es besondere Rechte. Ordner für Programm- und Projekt-Dateien sind frei wählbar. Das hat zur Folge, dass Texte auch in der Cloud oder auf einem USB-Stick gelagert sein können. So kann man von unterschiedlichen Orten aus darauf zugreifen.
9 – Vollversion gegen Spende
Die Vollversion des Programms heißt Supporters-Edition. Andrea Feccomandi überläßt es dem Benutzer, welchen Betrag er dafür zu zahlen bereit ist. In der Bezahlt-Variante sind die folgenden Funktionen zusätzlich enthalten.
- Globale Notizen
- Objekte zusammen mit Bildern abspeichern
- Szenen in andere Kapitel verschiebbar
- Eine Zeitleiste, die fortgeschrieben wird
- Suchen/Ersetzen-Modus
- Ablenkungsfreier Modus
- Option, eine Fortsetzung anzulegen
Einen Roman schreiben
Bibisco unterstützt Autoren dabei, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Es ermuntert, zum Kern einer Geschichte durchzudringen – den Figuren und ihren Konflikten.
Meiner Meinung nach ist Bibisco eines der besten Programme für Autoren, die derzeit auf dem Markt sind.
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Super Tipp. Ich habe Bibisco am Montag in der freien Version ausprobiert und spontan entschieden, die Supporter Version zu erwerben. Eine sinnvolle Ergänzung zu meinem Schreibprogramm. 🙂
Sehr hilfreich, wenn es um die Entwicklung der Charaktere und des Settings geht.
Hallo Thomas, probieren geht über studieren 😉 Viel Erfolg mit dem Schreiben!
Hallo!
Du schreibst vom “ewigen Gefriemel” wenn Du diverse Programme öffnest. Selbst unter Windows gibt es mittlerweile (seit 10) mehrere Arbeitsflächen, die man mit einem simplen Shortcut öffnen, und zwischen ihnen wechseln kann. Mit Alt/Tab zwischen den Anwendungen wechseln, so hat man immer, wenn man es denn will, den kompletten Bildschirm für eine Anwendung, oder auch für vier; einfacher geht es eigentlich nicht.
Unter Punkt 4 lobst Du dann, dass man zwischen den einzelnen Punkten hin- und herspringen kann, was jedoch bei Bibisco RICHTIG kompliziert ist, und zudem noch sehr unübersichtlich, wie auch Dein Screenshot zeigt. Um den “Zweck” zu lesen, muss ich erst darauf klicken, oder mich endlos mit dem TAB durchtippen, dann wieder endlos Tab oder mal wieder klicken, diesmal auf “zurück”, und mit den Notizen ebenso. Für die Notizen bei den Kapiteln gibt es keinen “Explorer” (wie für die Projekte), sondern sie sind lediglich auf einer Seite zu finden; viel Spaß beim Suchen, wenn die mal Überhand nehmen.
Eine Anleitung gibt es nur für die Installation und andere technischen Dinge, viele Videos (auf Englisch) was das Schreiben eines Romans angeht, aber was die Bedienung angeht, so ist da nichts zu finden; selbst auf Englisch nicht. In der deutschen Version ist da vieles leider nicht selbsterklärend, und sogar recht kompliziert.
Der “ablenkungsfreie Modus” beinhaltet ! 136 Zeichen pro Zeile, was man auf Dauer im Nacken spüren wird, und eher an ein Tennismatch in Wimbledon erinnert, als an einen Texteditor.
Im Menü des Editors habe ich zwar solch “dringend benötigte” Buttons wie “öffnendes Anführungszeichen”, “schließendes Anführungszeichen” und “Geviertstrich”, aber simple, unnütze Dinge wie “Textfarbe”, “Schriftart” oder “Zeilenhöhe” fehlen zum Glück (ich hoffe, man hat die Ironie entdecken können!). Schriftarten stehen nur drei (Courier, Times, Helvetica) zur Verfügung, und die auch nur über ein weiteres Untermenü – Stichwort: sehr durchdachte Bedienung.
Der “Dark-Mode” ist schlicht und einfach nicht zu gebrauchen. Ungünstige Farbkombinationen machen Buttons unleserlich und dunkelgraue Schrift auf tiefschwarzem Hintergrund lässt die Optiker jubelnd aufschreien.
Du schreibst, dass Bibisco dabei hilft, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, was bei einem Autor jedoch sein Werk sein sollte, und nicht die umständliche Bedienung der Software, die einfachste Dinge leider nicht kann, und noch lange nicht ausgereift ist.
Ich habe eigentlich gerne 30 EUR gezahlt, aber ich gebe es definitiv zurück, denn jedes kostenlose Office kann mehr (Zeitstrahl und sonstige Sachen sind problemlos in Excel & Co möglich).
Deine Begeisterung für dieses Programm kann ich leider nicht teilen.